DNA Semmering
Auf Du und Du mit DNA
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Wir sollten uns auf die Suche machen, hat es geheißen. Ohne Vorgaben, ohne Rahmen oder Struktur. Ganz intuitiv sollten wir vorgehen. Bloß ein paar Kärtchen mit inspirativen Sprüchen hat man uns mitgegeben. Als Denkanstöße, stand in der beigelegten Nachricht. Ein kleines Mikrofon lag neben der Nachricht, damit wir ein Tagebuch führen können, ohne schreiben zu müssen. Ein Logbuch, so haben sie es genannt, indem man hört und spürt, was die Umgebung mit einem macht. Denn sie wollten wissen, was ebendiese Umgebung ausmacht. Deshalb haben sie uns losgeschickt. Auf den Semmering. Seine DNA sollten wir finden.

DNA Semmering
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Die Villa Waldheimat steht am Fuße des Villenviertels. Sie war unser Basislager, unser Labor, unsere Werkstätte, unser Ruhepol in einer durchwegs ruhigen Landschaft. Die zwar hügelig und zerklüftet ist, aber wenig aufregend. Es gibt dort keine hohen Berge, reißenden Flüsse oder steilen Wände, wie man es von den Alpen vielleicht gewohnt ist. Man befindet sich aber eben erst am Beginn der Alpen. Und das spürt man, im positiven Sinne. Denn die Landschaft lässt dort einem seine Ruhe und beflügelt so den Geist.

Das haben mir beinahe alle Explorer:innen so bestätigt, die ich in den Wochen der Residencies am Semmering kennenlernen durfte. Und das waren insgesamt 15 Menschen: Mit den unterschiedlichsten Hintergründen und aus allen Himmelsrichtungen sind sie gekommen. Um den Semmering zu entdecken und zu erforschen. Jeder auf seine Art: Da waren viele mit Kameras und Mikrofonen unterwegs, während andere den Semmering mit Worten beschrieben haben. Einer hat mit dem Pinsel die Landschaft eingefangen, zwei sind im Wald verschwunden und mit allerlei Geschmäckern zurückgekehrt, eine andere hat das Bahnnetz des Semmerings auf Hüten verpackt und einer, der hat für die anderen in der Villa gesungen. All das und noch vieles mehr ist dort oben passiert. Aber das kann man alles im Herbst dann genau erleben. Ende September hat man uns gesagt. Denn da wird das Innerste des Semmerings nach außen gekehrt: Eine erste Annäherung an seine DNA wird präsentiert.

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Man fragt sich also: Was könnte diese DNA sein? Auf den ersten Blick wirkt der Semmering ja ruhig und anmutig, aber irgendetwas brodelt dort vor sich hin. Zunächst glaubt man, es wäre die Eisenbahn, die sich durch die Landschaft schlängelt und im Viertelstundentakt vorbeirattert. Sie ist so etwas wie das verbindende und tragende Element dort oben. Zusammen mit den Grand Hotels und Gründerzeitvillen, Zeitzeugen einer längst vergangenen Epoche. Als das Who-is-Who der Wiener Kunst- und Kulturszene am Semmering zusammenkam, um zu leben und zu arbeiten. Die Eisenbahn hat sie alle nach oben gebracht, aber angezogen hat sie etwas anderes.

In ihren Arbeiten liest, sieht, hört und spürt man es. Dieses Etwas, das wir Explorer:innen finden sollten. Und vielleicht ist es wirklich der allgegenwärtige Weitblick, der den geistigen Horizont erweitert. Oder es sind die verträumten Wälder, die den Blick nach innen öffnet. Vielleicht ist es auch einfach so, dass etwas in der Luft liegt. Das man nicht recht beschreiben kann, weil es nicht greifbar, nicht fassbar und schon gar nicht erklärbar ist. Aber durchaus spürbar. Es steckt dort oben ganz tief drinnen: In jedem Baum, jedem Haus, in allen, die hier leben, arbeiten, gestalten, in jedem Stein und jedem Tier. Deshalb DNA. Die Suche hat begonnen.

Autor: Robert Maruna II friendship.is

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